Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB gilt ein Unfallflüchtiger (§ 142 StGB) in der Regel als „ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen“. Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist aber, dass ein „bedeutender Fremdschaden“ entstanden ist. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Wertgrenze in zwei Entscheidungen von 1.300 € auf 2.500 € angehoben.
Wer an einem Unfall beteiligt ist, hat die Pflicht am Unfallort zu warten, bis alle erforderlichen Angaben zu seiner Person und der Art der Beteiligung am Unfall festgestellt werden. Das gilt für jeden Unfall, auch für den vermeintlich harmlosen Anstoß beim Ausparken. Wer sich entfernt, bevor diese Feststellungen getroffen werden konnten, macht sich nach § 142 StGB strafbar. Nicht nur die Strafe ist unangenehm, sondern vor allem auch die drohende Entziehung des Führerscheins (der Fahrerlaubnis) für mindestens 6 Monate.
Da die Entziehung der Fahrerlaubnis bei kleineren Schäden nicht angemessen wäre, bestimmt § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen „bedeutender Schaden“ entstanden ist. Das waren seit ca. 2002 Schäden in Höhe von 1.300 €, später auch 1.800 €.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte diesen Wert bereits mit Beschluss vom 24.04.2019 (5 Qs 25/19) auf 2.500 € angehoben und diese Entscheidung jetzt mit Beschluss vom 05.12.2019 (53 Qs 73/19) bestätigt. Das Gericht begründet die Entscheidung(en) im Wesentlichen mit einer geänderten Rechtslage bei den Fahrverboten (§ 44 StGB) und gestiegenen Verbraucherpreisen für Warung und Reparatur von Fahrzeugen.
Ob sich dieser neuen Wertgrenze auch andere Gerichte anschließen muss sich erst noch zeigen. In jedem Fall kann man mit diesen Entscheidungen gut gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) argumentieren.
Nachtrag (22.04.2021): Das AG Duisburg (Beschl. v. 27.10.2020 – 204 Gs 146/20) setzt die Wertgrenze des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bei „zumindest 1.800,00 Euro“ an.
Glossar
Fahrverbot: Gemäß § 44 StGB kann das Gericht neben einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe auch ein Fahrverbot von bis zu 6 Monaten verhängen. Das gilt auch dann, wenn die Straftat nichts mit dem Straßenverkehr zu tun hat. Ein Fahrverbot ist aber in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 3 oder § 316 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB unterbleibt.
Beim Fahrverbot bleibt die generelle Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen erhalten; sie darf nur nicht ausgeübt werden. Anders bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69, 69a StGB: die Erlaubnis wird entzogen und muss neu beantragt werden.
Entziehung der Fahrerlaubnis: Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt, entzieht das Gericht mit der Verurteilung die Fahrerlaubnis. Voraussetzung ist, dass sich aus der „Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist“ (§ 69 Abs. 1 StGB).
In folgenden Fällen geht das Strafgesetzbuch (§ 69 Abs. 2 StGB) davon aus, dass der Täter ungeeignet ist:
- Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB)
- Verbotene Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB)
- Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)
- Unfallflucht (§ 142 StGB), wenn Menschen verletzt oder getötet wurden oder „bedeutender Fremdschaden“ entstanden ist
- Im Falle des Vollrausches (§ 323a)
Die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, bescheinigt durch den Führerschein, erlischt und muss neu beantragt werden. Probleme bei der Wiedererteilung gibt es regelmäßig, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel waren.