Pflichtverteidigung bei drohender Gesamtfreiheitsstrafe

Das OLG Nürnberg hat in einem aktuellen Beschluss (Ws 325/25 vom 24.04.2025) klargestellt, dass einem Beschuldigten auch dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn ihm in mehreren Verfahren Strafen drohen, die voraussichtlich zu einer gesamtstrafenfähigen Freiheitsstrafe führen, welche die Grenze zur „Schwere der Tat“ im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO überschreitet.

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der „Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge“ nach § 140 Abs. 2 StPO ist regelmäßig geboten, wenn dem Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr droht. Entscheidend ist dabei nicht nur die Strafe im konkreten Verfahren, sondern es sind alle anhängigen Verfahren einzubeziehen, sofern die Strafen gesamtstrafenfähig sind.

Das bedeutet:

  • Auch Einzelstrafen aus verschiedenen Verfahren sind zu berücksichtigen, wenn sie voraussichtlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe führen können, die die genannte Grenze überschreitet.
  • Dabei kommt es nicht auf eine bereits rechtskräftige Verurteilung an – maßgeblich ist die Gesamtschau der zu erwartenden Strafen.
  • Das Gericht muss bei Kenntnis entsprechender Parallelverfahren eine Gesamtbewertung vornehmen – eine Aufklärungspflicht besteht insoweit allerdings nicht.

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