Seit Oktober 2017 gilt ein strafrechtliches Verbot von Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB). Das Verbot gilt aber nicht nur für Rennen im „klassischen“ Sinn. Auch, wer sich „als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ macht sich strafbar. Was das bedeutet, beantwortet die Rechtsprechung noch unterschiedlich.
Das Oberlandesgericht Stuttgart geht in einer aktuellen Entscheidung davon aus, dass mit „höchstmöglicher Geschwindigkeit“ nicht die absolute Geschwindigkeit gemeint ist, die ein Kraftfahrzeug erreichen kann. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB setze lediglich voraus, „dass es dem Täter darauf ankommt, in der konkreten Verkehrssituation die durch sein Fahrzeug bedingte oder nach seinen Fähigkeiten oder nach den Wetter-, Verkehrs-, Sicht- oder Straßenverhältnissen maximale mögliche Geschwindigkeit zu erreichen.“ Ob der Täter auch ein anderes (primäres) Ziel verfolge, sei gleichgültig. Ebenso wenig sei relevant, ob es ihm auf einen „Sieg“ ankäme.
Ähnlich hat das Kammergericht entschieden. Allerdings sei im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art 103 Abs. 2 GG) eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB angezeigt, wenn es um die Abgrenzung zur bloßen Geschwindigkeitsüberschreitung geht.
Demgegenüber beruft sich das Landgericht Stade (132 Qs 88/18) auf die Gesetzesbegründung zu der Vorschrift und stellt auf den Standpunkt, dass der vorausgesetzte Renncharakter nur gegeben sei, „wenn der Fahrer sein Fahrzeug bis an die technischen und physikalischen Grenzen ausfährt.“ Das LG Stade legt also einen objektiven Maßstab zugrunde. Der Gesetzgeber habe (BT-Dr. 18/12936, S. 2) mit § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB Fälle erfassen wollen, in denen der Fahrer „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“.
Beide Standpunkte haben gute Argumente. Der Wortlaut des der Vorschrift sprich allerdings für die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart. Nicht nur, dass es explizit „nicht angepasste Geschwindigkeit“ heißt. Die Vorschrift spricht ausdrücklich von „höchstmöglicher Geschwindigkeit“ und nicht von „Höchstgeschwindigkeit“. Der Gesetzgeber schreibt hierzu:
„… es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. … Das Führen des Kraftfahrzeugs muss mit nicht angepasster Geschwindigkeit erfolgen. Damit ist ein zu schnelles Fahren gemeint, das Geschwindigkeitsbegrenzungen verletzt oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderläuft. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. … Subjektiv ist das Anliegen erforderlich, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Diese Formulierung bringt möglichst viele relevante Komponenten auf einen Nenner, wie die fahrzeugspezifische Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung – wobei diese im Einzelfall nicht immer erreicht sein muss –, subjektives Geschwindigkeitsempfinden, Verkehrslage, Witterungsbedingungen und anderes. Diese Tatbestandsvoraussetzung soll insbesondere dem Erfordernis des Renncharakters – auch im Fall des § 315d Absatz 1 Nummer 3 StGB – gerecht werden. Bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen sollen hingegen nicht von der Strafbarkeit umfasst werden, auch wenn sie erheblich sind.“
BT-Dr. 18/12964, S. 5 f.
Fazit: nicht jede, auch erhebliche, Geschwindigkeitsüberschreitung ist gleich eine Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Wer allerdings die zulässige Höchstgeschwindigkeit, insbesondere innerorts, um das zwei- oder dreifache überschreitet, könnte durchaus in den Fokus der Staatsanwaltschaft geraten.
Nachtrag (09.03.2020): Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen (Az. 6 Ds 66 Js 980/19) hält die Vorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB für zu unbestimmt und damit für verfassungswidrig. Es hat diese Frage dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG vorgelegt (Quelle: LTO v. 04.03.2020).