Das Gericht muss dem Angeschuldigten Gelegenheit geben sich zu einer Anklageschrift zu äußern, bevor es darüber entscheidet, das Hauptverfahrens zu eröffnen (§ 201 StPO). Spätestens jetzt sollten Sie einen Strafverteidiger um Rat bitten.
Was ist passiert?
Im Ermittlungsverfahren erheben Staatsanwaltschaft und Polizei Beweise. Unterlagen werden gesichtet, Zeugen werden vernommen, Videos, GPS-Daten und Festplatten ausgewertet. Sind alle Beweise ausgewertet, ist das Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Kommt die Staatsanwaltschaft jetzt zu dem Ergebnis, dass ein „hinreichender“ Verdacht besteht, Sie hätten eine Straftat begangen, kann sie öffentliche Klage, die Anklage, erheben.
Sie schickt dann die gesamte Ermittlungsakte mit der Anklageschrift an das zuständige Gericht und beantragt dort, das Hauptverfahren zu eröffnen. Das Gericht muss Ihnen vor Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Diesen Teil des Strafverfahrens bezeichnet man als Zwischenverfahren.
Und hier befinden Sie sich gerade.
In der Regel wird Ihnen zur Stellungnahme eine Frist von einer Woche ab Zustellung der Anklageschrift gesetzt; diese Frist kann verlängert werden. Gegebenenfalls werden Sie aufgefordert einen Verteidiger zu benennen, der für Sie tätig werden soll. Dann liegt ein Fall der sog. notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO vor (Sie sollten dann direkt mit einem Strafverteidiger telefonieren).
Was muss ich jetzt tun?
Lassen Sie sich in jedem Fall von einem Strafverteidiger beraten, wenn Sie eine Anklageschrift erhalten haben.
Sie müssen auf die Zustellung der Anklageschrift nicht reagieren; sollten das aber tun. Sonst wird das Gericht „nach Aktenlage“ über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Wissenswert ist, dass gut 95% Hauptverfahren eröffnet werden. Wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt und Sie keinen Verteidiger benennen, wird Ihnen das Gericht einen Verteidiger zur Seite stellen. Das ist gut. Sie haben aber dann keine Sicherheit, dass Sie dem Anwalt auch vertrauen. Sie sollten also selbst tätig werden und einen Verteidiger benennen.
Es ist daher in jedem Fall ratsam, einen Strafverteidiger zu konsultieren. Die erste Maßnahme des Strafverteidigers ist der Antrag auf Akteneinsicht. Erst mit der Kenntnis der genauen Beweislage, können Sie sich auch im Zwischenverfahren noch effektiv verteidigen.
Glossar
Beschuldigter, Angeschuldigter, Angeklagter: Als Beschuldigten bezeichnet man diejenige Person, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt. Dies gilt unabhängig vom Verfahrensstadium. Wenn ein Beschuldigter angeklagt wird, bezeichnet man ihn als Angeschuldigten. Im Hauptverfahren bezeichnet man den Beschuldigten als Angeklagten (§ 157 StPO) .
Pflichtverteidiger: Bei gravierenderen Straftaten verlangt das Gesetz die Beteiligung eines Verteidigers. Man spricht von notwendiger Verteidigung (§ 140 StPO). Den als Verteidiger bestellten (beigeordneten) Anwalt bezeichnet man als Pflichtverteidiger.
Zwischenverfahren: Das Zwischenverfahren ist ein gerichtliches Verfahren. Es beginnt mit dem Eingang der Anklageschrift bei Gericht. Es endet mit mit der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens.
Hinreichender Tatverdacht: Von einem hinreichenden Tatverdacht (§ 203 StPO) spricht man, wenn eine Verurteilung nach durchgeführter Hauptverhandlung wahrscheinlich ist. Die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit ist dabei immer nur vorläufig in dem Sinne: „Wenn das so gewesen sein sollte, wie es auf dem Papier aussieht, könnte man verurteilen“. Der Grad der Wahrscheinlichkeit liegt bei gut 50%. Diese vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit reicht am Ende aber nicht für eine Verurteilung.